Brauch nix

Die Philosophie, die hinter dem Namen „brauch nix“ steht, setzt auf Nachhaltigkeit, im Sinne von schonendem Umgang mit der inzwischen zur Wegwerfware mutierten Altkleidung. Ist der Gang zum Container wirklich die letzte Option? Es braucht tatsächlich nicht viel, um Altkleider von dem trostlosen Schicksal des Kleidermüllberges zu bewahren, wenn man sich die Alternative, die Frau Katharina Freund bietet, ansieht.

Die Gründerin von „brauch nix“ plaudert heute aus dem Nähkästchen, wie sie es schafft, dass etwas verloren geglaubtes wieder in neuem Glanz erscheinen kann und dabei auch noch zu einem erwerbbaren Unikat wird.

Fesch und praktisch sind die von Katharina Freund erschaffenen Umhängetaschen. Eine schöne Geschenkidee aus Regensburg. Foto: Andrea Blab

Das erste, was einen auf Ihrer Homepage begrüßt, Frau Freund, ist der Ausdruck „Brauch nix“ – Upcycling aus Regensburg und ein Bild einer schicken Tasche. Wie lässt sich Ihre Tätigkeit in ein paar Sätzen zusammenfassen und warum finden Sie, beschreibt der Ausdruck „brauch nix“ Ihre Arbeit am Besten?

 Jeder von uns besitzt Unmengen „Zeugs“. Spätestens beim Umzug wird das Jedem klar. Deshalb brauchen wir – Hand aufs Herz – von diesen Sachen nichts noch on the top. Da bin ich ehrlich – auch meine Produkte braucht man nicht. Wenn man aber ein individuelles Geschenk, das aus dem Nähkästchen entsprungen ist, sucht oder sich selbst was gönnen will, dann sind meine Taschen & Co ein guter Weg! Man ist am Ende immer Besitzer eines Unikats mit Herzblut, das neu und dabei gleichzeitig aus Altem gemacht wurde. Das schlechte Gewissen hat keine Chance, und aus Regensburg ist es auch noch!

 Wie lange gehört das Nähen von Taschen schon zu Ihrem Leben und weshalb Sind Sie eines Tages auf die Idee gekommen, die Allgemeinheit mit Ihrem Können zu beglücken?

Nähen gehört – welch ein Klischee – erst zu meinem Leben dazu, seitdem ich Mama geworden bin. Als Autodidakt habe ich mir das Nähen beigebracht und lerne immer noch dazu. Unser Sohn hat den Montessori Kindergarten „Prinzengarten“ in Regensburg besucht. Zu dieser Zeit entstand zusammen mit anderen Mamas und meiner Freundin Martina, die Nähgruppe für die Kleidung & Co unserer Kleinen. Diese Nähgruppe kam nicht mehr zum Erliegen, auch wenn inzwischen unsere Kinder, zu „Großen“ herangewachsen sind und die Schule besuchen. Aus meinem Umfeld kam schließlich immer wieder die Frage, warum ich mein Nähprojekt nicht professioneller aufstelle. Mit „brauch nix“ ist das letztlich geschehen.

Haben Sie manchmal „Nähblockaden“ und wenn ja, wie lösen Sie diese?

Klar, zu jeder kreativen Arbeit gehört ein Leerlauf dazu, aber diesen empfinde ich als Entspannung. Ich gebe mich also jeder Nähblockade hin, mache andere Sachen, die mich erfüllen und mir wichtig sind, wie z.B. Radausflug mit unserem Kind zum Schrebergarten. Wenn nix geht, geht halt nix. Da stehe ich dazu. Die Muse küsste mich sicherlich wieder, und dann bin ich voller Ideen und nähe die Nächte durch.

In dem Zusammenhang möchte ich auch gerne fragen, welche Quellen Sie zur Inspiration nutzen?

Oh ja! Die Quelle meiner Inspiration ist eine Summe aus meiner Schwester und Flohmärkten!  Nathalie und ich sind so ziemlich immer und überall auf Flohmärkten und Secondhandläden unterwegs. Dieses Gefühl, von „Zeitreise“, was dabei aufkommt, verbunden mit Verkleiden und Austausch mit anderen, sind unverzichtbare Ereignisse. Außerdem gehe ich gerne unter Leute, schaue mich um, höre zu. Auch meine Deluxweiber (auf meiner Seite stöbern!) sind viel unterwegs und bringen immer wieder neue Impulse mit.

Gibt es ein bestimmtes Klientel, das zu Ihren Unikaten greift? Oder würden Sie selbst eine Gruppe festlegen, für die sich Ihre Produkte anbieten?

 Die ursprüngliche Idee war es, Männer aus dem persönlichem Umfeld mit Upcycling-Sachen zu beschenken. Diese „brauchen zwar nix“, aber gerade deshalb schienen sie eine Marktlücke zu bieten! Also war das erste eine Grillschürze für Männer und erst nach und nach meinten meine Deluxweiber, „mach doch was für Mädels und Kinder“.

Wie kommt man überhaupt an Ihre Waren?

Einen Onlineshop habe ich für mich definitiv ausgeschlossen. Ich genieße den Kontakt mit Menschen und all meine Sachen sind außerdem Unikate. Deshalb ist mein Stand zusammen mit meinem Mannequin „Dave“ (Frontman von der Band „Depeche Mode“) nur auf Märkten in Regensburg und Umgebung vertreten, z.B. der Mädchenflohmarkt, das W1 oder das Ostengassenfest. Per Mail kann man mich aber auch wunderbar erreichen.

Hat es auch etwas mit Gewissen zu tun, dass man den Wunsch hat, alte Kleidung nicht gleich in den Müll zu kippen?

Manchmal hilft es nicht, und man muss eine Trennung von Klamotten durchziehen. Aber gleich auf den Müll kippen, widerstrebte mir schon immer. Man kann Kleidung reparieren! Daneben ist für meine Familie der Weg zu Transition Regensburg (eine Bürgerbewegung und ein Verein dem das Thema Nachhaltigkeit in Regensburg am Herzen liegt https://www.transition-regensburg.de/) eine Option. Oder eben mein Upcyclingprojekt. Weniger reden, mehr machen!

Was glauben Sie persönlich, wäre wichtig, um unsere Wegwerfgesellschaft, von der ja so oft die Rede ist, wachzurütteln und Mut zu Bescheidenheit zu fördern oder auch zu fordern?

 Umdenken oder Bescheidenheit zu fordern, ist mir zu drastisch, eine Utopie. Da erkenne ich mich nicht wieder. Mein Weg ist ein anderer: Ich versuche, neugierig zu machen und zu überzeugen, was Neues aus Altem auszuprobieren. Zitat an meinem Stand beim Anblick meiner Taschen: „DAS könnte ich auch aus meiner alten Jeans machen!“ So etwas freut mich dann ungemein. Abschauen ist da absolut erlaubt, da es genau mein Wunsch ist eine Art „Katalysator“ zu sein, um Menschen zum Nachnähen zu motivieren.

Ich praktiziere mir gegenüber brutale Ehrlichkeit beim Einkaufen. Dabei frage ich mich wirklich, ob ich das Dings brauche, oder ich es nur haben will. Ein Einkauf wird damit zur bewussten Entscheidung. Befreit ungemein!

Vor allem, wenn man etwas selbst herstellt, in meinem Fall näht, weiß man wie viel Stoff, Zubehör und Zeit z.B. ein Turnbeutel in Anspruch nimmt. Somit erscheinen die Preise für Kleidungsstücke aus Asien für nur 4,99€ noch absurder und unsozialer!

Trotzdem bin ich keine „Müsli-Mama alias Öko-Tante“. Ich sehe das Leben mit all seinen Facetten und denke oftmals, dass das eine, das andere nicht ausschließt. Eine Symbiose zwischen dem totalen Entsagen und der Konsumorgie ist für mich die richtige Entscheidung.

Ich danke Ihnen recht herzlich für das inspirierende Interview, Frau Freund!

Kontakt:

Katharina Freund
E-Mail: Katharina@brauchnix.eu
Instagram: brauch.nix
Website: https://brauchnix.jimdofree.com

Interview durchgeführt: Alexandra Kagerer, OTH Regensburg