Johann-Hinrich-Wichern-Haus

Sinnvolles Schenken und Soziales unterstützen

Wohnen in bester Stadtlage und Verkehrsanbindung – wer wünscht sich das nicht? Genau das können 32 Menschen im Johann-Hinrich-Wichernhaus in Regensburg. Und doch verbirgt sich hinter der unscheinbaren Fassade des blau-weiß gestrichenen Hauses etwas mehr als man zunächst vermutet: Denn das Wichernhaus ist seit 1998 eine sozialtherapeutische Wohngruppe für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Unsere Fragen zu dieser Einrichtung der Diakonie und seinem Bezug zu Geschenken aus Regensburg wurden uns in einem Interview mit Herrn Günther Helfrich beantwortet.

Keramikermeister Günther Helfrich ist zuständig für die Kreativwerkstatt im Regensburger Wichernhaus

Den Alltag im Wichernhaus kann man beschreiben als …?

…familiär. Ich arbeite hier seit 21 Jahren und manche Bewohner kenne ich seit 21 Jahren – die sehe ich vielleicht sogar häufiger als meine eigene Frau. Jeder hat seinen individuellen Tagesablauf, den wir gemeinsam erstellen. Es ist wie in einer Familie. Man muss in der Früh aufstehen und achten, dass alle beim Frühstücken mit da sind. Und dann geht jeder in seine Arbeit oder Therapie. Mittags ist es genauso wie in einer großen Wohngemeinschaft, denn es essen acht Personen gemeinsam zu Mittag. Da gibt’s auch Stress oder sie verstehen sich nicht so gut. Wie es eben in einer Familie so ist. Natürlich kommen auch die Krankheitsbilder wie z.B. Bipolare Störungen oder Schizophrenie hinzu, aber das ist dann unsere professionelle Aufgabe zu reagieren. Das sind dann natürlich Sachen, die in einer normalen Familie meistens nicht vorkommen.

Hier in der Kreativwerkstatt arbeiten…?

…diejenigen Bewohner, die nicht so ein großen Antrieb oder Motivation haben. Oder auch diejenigen, die schon älter sind oder voll sind von Therapien aus früheren Zeiten oder aus dem Krankenhaus. Viel geschieht im Sitzen. Als wir die Werkstatt aufgebaut haben, habe ich von Anfang an befürwortet, dass es kein Seidenmalen oder andere klassische ergo therapeutische Sachen, die in der Beschäftigungstherapie gemacht werden, gibt. Ich bin von der Ausbildung her Krankenpfleger und Keramikermeister, deswegen ist ein Schwerpunkt auch das Töpfern. In der Kreativwerkstatt wird eine ganz große Bandbreite an verschiedenen kreativen Arbeiten angeboten. Das reicht vom Puppentheater, zu normalen Theater, Computerkurse, Filzen, Arbeit mit Papier, Pappe, Ton und schließlich zu Gesang im Chor. Somit kann man individuell betrachten, welche Begabungen die Menschen haben und wo man sie einsetzen kann. Ich versuche zu sehen, was der Mensch ohne die Krankheit wäre – eher ein Sachbearbeiter in der Krankenversicherung, Goldschmied oder jemand mit Interesse an Chemie oder Mathematik.

Die Kreativwerkstatt rüstet sich für die Winterpause

Welches Ziel und welcher Gedanke steht hinterm dem Wicherhaus?

Ziel hier in der Kreativwerkstatt ist für die Bewohner hauptsächlich das Aufstehen und gerne in die Werkstatt zu kommen. Deswegen ist es meine Hauptaufgabe, die ganze Therapie und die Gruppe so mitzunehmen, zu motivieren und zu gestalten, sodass die Bewohner nicht lustlos kommen, sondern dass sie gespannt sind, was wir heute gemeinsam machen. Und wenn ich Angebote gefunden habe, die ihren Fähigkeiten entsprechen, ist es das Ziel, sie fitter zu machen. Und zwar so, dass sie auch alleine wesentlich besser zurechtkommen. Wir sind ja eine rehabilitative Einrichtung. Vermutlich werden viele nicht am ersten Arbeitsmarkt teilnehmen können, deswegen ist es auch ein Ziel in der Kreativwerkstatt zu lernen, mit sinnvollen Sachen den Tag zu gestalten ohne morgens im Bett liegen zu bleiben und zu versanden.

Wie würden Sie den Mix aus den verschiedenen Bewohnern beschreiben?

So wie die eigenen Nachbarn, die ganze Stadt. Im Wichernhaus sind erwachsene Menschen bis ins hohe Alter vertreten. Bei den Menschen hier ist es natürlich einmal die Krankheit, die das Leben dominiert, aber man muss auch den ganzen Charakter und den Menschen darunter sehen. Es ist genauso unterschiedlich wie im Verein, der Kirche, der Wirtschaft. Da ist auch alles vereint, wie hier auch.

Wie kann man sich einen typischen Arbeitstag der Bewohner vorstellen?

Ich gehe einfach mal von einer Bewohnerin aus. Die Essenszeiten sind feste Zeiten. Das ist auch wichtig für den Gruppendienst, um zu sehen, ob alle da sind und wie es den Bewohnern geht. Frühstück gibt es um neun Uhr. Die eine Bewohnerin ist relativ viel bei mir; sie ist auch in der Töpfergruppe. Da sind auch eher die Spezialisten, die auch Geld damit verdienen. Die Bewohnerin kommt dann um kurz nach neun zu mir. Sie macht das schon seit Jahren, deswegen ist es auch nicht immer erforderlich, dass ich in großem Stil die Arbeit begleite. Ich sage, was wir noch brauchen und dann arbeitet sie 2,5 Stunden bis um halb 12 gemeinsam mit den anderen in der Töpfergruppe. Nach dem Mittagessen geht es um 14h weiter. Viele legen sich in der Mittagspause hin, so wie auch diese Bewohnerin. Nachmittags wird am Ton weiter gearbeitet, außer die Bewohnerin hat den Wunsch, mal etwas anderes zu machen. Dann ist es auch möglich, z.B. an den Computer zu gehen. Um 16h endet der Arbeitstag. Dann ist es unterschiedlich, was die Bewohner in ihrer Freizeit machen. Manche gehen in die Stadt oder ruhen sich aus. Diese Bewohnerin ist noch zweimal die Woche in der Hauswirtschaft tätig, weil sie gerne backt.

Was verbindet nun Geschenke aus Regensburg mit dem Wichernhaus?

Wir versuchen schon immer, den Bewohnern sinnvolle Arbeit zu geben. Das heißt: Ich produziere etwas, damit ich es verkaufen kann. So funktioniert ja auch die Marktwirtschaft. In den früheren Beschäftigungstherapien wurden Sachen gestaltet, die sich angesammelt haben und am Ende weggeschmissen wurden. Unser Ziel ist es, das Ganze sinnvoll zu gestalten. Deswegen übernehmen wir Arbeit im Haus, z.B. Gartenarbeit, die de Wichernhaus zugutekommt. Zudem versuchen wir eben, Produkte zu finden, die sich auf Märkten verkaufen lassen. Es gibt im Haus auch quasi einen Erfolgsartikel. Eine Idee, die sog. Gartendamen, die haben aus irgendeinem Grund eingeschlagen. Wir sind eingeladen zu Gartenausstellungen und haben auch große Aufträge. Dieses Jahr waren es sieben Ausstellungen. Die Bewohner stehen sehr im Mittelpunkt, denn sie sind quasi die Töpfergesellen, die alles herstellen. Die Kundschaft freut sich, weil es nicht ganz so teuer wie bei einem Keramiker ist. Von dem her denke ich, dass gerade die Gartendamen ein schönes Geschenk aus Regensburg sind, mit dem man noch etwas Gutes tut.

Man unterstützt durch den Kauf der Produkte…?

…die Bewohner und das Haus.

Kommt der gesamte Erlös der verkauften Waren den Bewohnern zugute oder gibt es Abzüge wegen Verwaltungskosten etc.?

Irgendwelche Verwaltungskosten fallen immer an. Aber diejenigen, die an den Figuren arbeiten, bekommen einen Extra-Bonus. Alles was dem Haus zugutekommt, kommt auch den Bewohnern zugute. Da hat ein Verwalter oder Mitarbeiter nichts davon. Es bleibt bei den Bewohnern.

Das Wichernhaus hat keinen Ladenverkauf wie andere Geschäfte. Wo und wann können Kunden Ihre Produkte erwerben?

Man kann jederzeit unter der Woche  zur normalen Bürozeit (8-17h) ins Haus kommen, ansonsten anrufen und sich ankündigen. Die Gartendamen haben das Haus bekannt gemacht, sodass viele ins Haus kommen. Es gibt Wochen, da habe ich 5 bis 10 Kundschaften da oder sie rufen an und bestellen. Das ist ja gerade das Schöne, nämlich dass sich das Wohnheim durch die Besuche öffnet und transparenter wird. Gerade mit dem Thema Wohnheim und psychisch kranke Menschen. Ich finde es schön, dass die Leute reinkommen und die Menschen mal in der Werkstatt stehen, in der alles gebaut wird. Es ist nicht anonym, sondern persönlicher.

Vielen Dank für das Interview!

Verfasserin: Anna Geissler