Schriftkunst Regensburg

Über Nähe und Distanz, Schnell und
Langsam.

Und über schönen Ausdruck. Johann Maierhofer ist Kalligraf, Schriftsteller, Künstler. Er bietet Kurse an und tritt mit Lesungen, Ausstellungen und Vorträgen regelmäßig öffentlich auf.

Sein Atelier ist dort, wo ein Stift und ein Blatt Papier ist. Johann Maierhofer bringt Texte zu Papier, deren Inhalt sich in der Form widerspiegelt. Seine Kalligrafie deutet das Wort auf eine ganz persönliche Weise aus. Der freundliche Regensburger erzählt uns Anekdoten aus seinen Kursen und vermittelt die Tiefe der Kalligrafie.

Hatten Sie in Ihrer Schulzeit „Schönschreiben“? Verraten Sie uns die Note?
Das wurde bei uns gar nicht benotet. Aber ich habe einen Deutschlehrer gehabt, bei dem habe ich das Klassenbuch führen müssen, weil ich so eine schöne Schrift habe. Eine andere Lehrerin hat mir mal einen Aufsatz zurückgegeben und gesagt: Der Aufsatz ist gut, aber du hast eine Sauklaue. Die Bewertung der Qualität einer Schrift ist in unserer Gesellschaft sehr reduziert.

Wie sind Sie zur Kalligrafie gekommen?
Für mich war Gestaltung schon immer ein Thema, aber auch der Inhalt. Ich arbeite als Autor, Schriftsteller und als Kalligraph. Und die Gestaltung ist zuerst in das Zeichnen gemündet und irgendwann ist diese Fähigkeit dann in die Kalligrafie übergegangen. Das mit der Kalligrafie war eigentlich schon angelegt. Das war ein fließender Übergang.

Was ist Kalligrafie?
Bei uns in der Gesellschaft wird Kalligrafie oft als Synonym für Schönschreiben betrachtet. Aber je mehr man Kalligrafie macht, desto mehr merkt man, dass es viel mehr ist. Wäre es nur „Schönes-Buchstaben-Schreiben“ würde es nicht Kalligrafie heißen. „Kalos“ bedeutet: gut, wertvoll, echt, zufrieden, glücklich, ein Konglomerat aus diesen Worten. Und gráphein bedeutet: hineingraben. Und wenn man davon ausgeht, hat das mit Buchstaben erstmal gar nichts zu tun. Und in diesem Kalos ist eine Geisteshaltung, eine Lebenseinstellung verborgen. Dahingehend ist Kalligrafie die Qualität des Wortes und des Ausdrucks. Und diese Qualität dann auch in Buchstaben hineinzubringen ist Kalligrafie.
Viele Leute, wenn sie in meinen Kurs kommen, erwarten, dass sie einen Buchstaben vorgelegt bekommen und dass erklärt wird, wie man den Stift zu nehmen hat. Aber da gehört mehr dazu. Das ist, wie wenn man Klavierspielen lernt. Erst wenn man ein Stück spielen kann, ohne nachzudenken, kann man mit unterschiedlichem Druck und Loslassen in die Tasten gehen, mit Nähe und Distanz, mit Schnell und Langsam experimentieren. Und genau das ist auch in der Kalligrafie mit drinnen. 

„Man begegnet sich als Mensch, als Kalligraf. Der Rest ist unwichtig.“

Wer kommt zu Ihnen in den Kurs?
Leute wie Du und ich. Zwischen siebzehn und siebenundsiebzig. Aber eigentlich auch schon früher, sobald sie den Stift in die Hand nehmen können. Die jüngsten waren sieben bis acht Jahre alt in Schulen und die ältesten sind weit über 80. Es sind eher wenige Arbeitende dabei, wie in vielen anderen Kursen auch, sicher auch eine Frage von Möglichkeiten der freien Zeiteinteilung. Es ist ein Abbild der Gesellschaft und Kulturen. In die Kurse kommen zwischen fünf und zwanzig Teilnehmende. Es ist für die Jugendlichen auch schön, dass sie so unkompliziert in die Erwachsenenwelt hineinkommen. 

Wie kommt man zu Ihnen in den Kurs?
Ich habe mit Bildungsträgern Kontakt, die kümmern sich um die Ausschreibungen. Dementsprechend sind wir dann auch beim Gebührenkonzept der Bildungsträger. Ich höre auch, dass der Kurs eine Geschenkidee von Bekannten war, vor allem die Nachmittagskurse. Die großen Kurse sind in kirchlichen Häusern, die auch Übernachtungen anbieten. Und deshalb werden die Kurse auch gefördert, dass die Preise angepasst sind. Das bedeutet: Ein Wochenkurs mit Vollverpflegung, Übernachtung und Kurs kostet 400 Euro (Stand: Juli 2020). Und die anderen Sachen, die ich mache: bei der M-Akademie der Mittelbayerischen Zeitung ist der Kurs relativ teuer, und immer ausgebucht. Bei der Katholischen Erwachsenenbildung ist er um einiges günstiger, und niemals ausgebucht. Am besten ist es, man schaut auf meiner Website, die ist immer aktualisiert mit allen Kursen. Und mich dann am besten anrufen und fragen.

Welchen Umfang haben die Kurse?
Es gibt Einführungskurse, die drei Stunden dauern bis zu Kursen, die eine Woche dauern. Montag bis Freitag, wo man dann auch gemeinsam übernachtet und zusammen isst. Viele wollen hineinschnuppern. Und merken dann, dass Kalligrafie nicht nur Schönschreiben ist, und dass es genau das ist, was sie eigentlich wollten: sich körperlich ausdrücken.

Es verändert sich die Persönlichkeit.

Gibt es Voraussetzungen, um in Ihrem Kurs erfolgreich zu sein?
Ja. Einen Stift in der Hand halten können, und homogene Bewegungsmuster machen können, also schreiben können. Viele Leute hindert das Buchstabenwissen, weil die Formen in eine andere Richtung laufen. Man muss das zuerst aus seinem Kopf rauskriegen und sich nur in die Bewegung hineinlassen…. Also keine Voraussetzungen (lacht).

Verändert sich auch die Alltagsschrift Ihrer Kursteilnehmenden?
Die Kalligrafie, der persönliche Ausdruck, ist in jeder Schrift mit drinnen, wie man im Moment ist oder wie man gewachsen ist. Die Schrift verändert sich, ich merke das auch bei mir. Wenn man bestimmte Formen trainiert, in der Schrift, dann verändert sich auch in der Persönlichkeit etwas. Das ist vielleicht auf den ersten Blick etwas suspekt. 

Auf Ihrer Website erwähnen Sie auch Mukalesken. Was kann man sich darunter vorstellen?
Mukalesken – Musikalisch-kabarettistische Lesungen. Ich habe früher sehr viel geschrieben: Aufsätze, Geschichten. Und 2012 habe ich mir gedacht, ich will auch als Schriftsteller wieder mehr in die Öffentlichkeit treten. Ich wollte die Geschichten auch selbst den Leuten vorlesen. In Zusammenarbeit mit Fredman, einem niederbayerischen Liedernomaden, haben wir zusammen seit 2014 Liederabende gemacht. Er macht Musik, ich mache Texte zu bestimmten Themen. Ich mache auch eigene Lesungen. Letztes Jahr habe ich ein paar Freunde zusammengetrommelt, und wir haben das Label “Regensburger Kulturbühne“ gegründet. Wir veranstalten Lesungen oder auch Schauspielabende. Zurzeit sind wir noch in den Startlöchern. Wir sind an der Aufführung eines Romans dran, ein Schauspiel, das nur in Briefen passiert. Das Theaterstück ist fertig, das können wir jederzeit aufführen. Das sind die Visionen, für die mein Herz mit 61 Jahren noch brennt.

Wie würden Sie die Entwicklung Ihrer öffentlichen Arbeit in den letzten Jahren beschreiben?
Als ich aus dem Arbeitsprozess umgestiegen bin und nur noch Kalligrafie gemacht habe, hatten die Leute Probleme, damit umzugehen. „Was macht der jetzt eigentlich?“ Mit Kalligrafie haben sie zuerst nichts anfangen können. Damit verdient man doch kein Geld? Ich habe am Anfang auch sehr viel freie Zeit gehabt. Auch jetzt habe ich noch viel freie Zeiteinteilung. Ich habe einen Roman geschrieben, der vor fünf Jahren veröffentlicht wurde. Ich habe mich damals schwergetan, mich als Künstler zu bezeichnen. Und seit einigen Jahren merke ich, dass ich wirklich ein Künstler bin. Ich verspüre auch die Pflicht, den Leuten zu zeigen, was ich sehe, oder was ich meine zu sehen.

Wenn Sie die Schrift einer unbekannten Person sehen, machen Sie sich ein Bild von der Persönlichkeit?
Man nennt das Graphologie: aus den Menschen etwas heraussehen. Ich habe mich auch einige Jahre mit Graphologie beschäftigt. In Amerika gibt es ein Institut, das macht Schriftanalysen für Führungskräfte, statt Assessment-Center. Man kann sich auch nicht verstellen. Und dann kann man vieles rauslesen, wenn man es kann. Aber ich mache das, wenn, dann nur unbewusst und nicht professionell. 

Sie publizieren auch Aufsätze. Unter anderem stellen Sie den Künstler Werner Berg vor und betrachten seine Bilder unter kalligrafischen Aspekten. Möchten Sie kurz die Parallelen zwischen Malerei und Kalligrafie und vielleicht auch die Unterschiede darstellen?
Kalligrafie ist näher am Zeichnen als am Schreiben. Und ich gehe jetzt noch weiter: näher an Yoga. Mir ist in der Kalligrafie die Körperlichkeit sehr wichtig. Wenn man nur schreibt, dann konzentriert man sich auf die Hand. Der Ausdruck soll aber durch Verkrampfung nicht dort stecken bleiben, sondern auf das Papier kommen, genauso wie beim Singen. Das sind die gleichen Ãœbungen wie beim Singen. Drum mache ich bei den Kursen auch immer Körperübungen, dass man locker wird.  

Wie kann man sich ein Künstler:innenleben vorstellen, so vom Tagesablauf her?
Ich habe früher gelernt, strukturiert zu arbeiten, und könnte das heute auch noch. Ich stehe auf und schaue, was der Tag bringt. Der Tagesablauf eines Kunstschaffenden, oder von mir, ist jeden Tag ein bisschen anders. In letzter Zeit habe ich wieder mehr Gitarre gespielt.

Herr Maierhofer, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch!

Verfasser: Gabriel Probst, OTH Regensburg